Angst und Trauma bei Osteogenesis imperfecta

"Aus deiner Verletzlichkeit erwächst deine Stärke." (Siegmund Freud)

Traumatisierung?

Begriff Trauma:

Ein Trauma (griech.: Wunde) ist ein belastendes Ereignis oder eine Situation, die von der betreffenden Person nicht bewältigt und verarbeitet werden kann. Es ist oft Resultat vom Ausgliefertsein bei Gewalteinwirkung – sowohl physischer wie psychischer Natur. Bildhaft lässt es sich als eine „seelische Verletzung“ verstehen. 

Als traumatisierend werden im Allgemeinen (wiederholte) belastende Ereignisse wie schwere Unfälle, Erkrankungen und Folter, aber auch Erfahrungen erheblicher psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt (auch körperliche Ein- und Übergriffe, auch nicht krimineller Natur - A.d. Verfassers) sowie schwere Verlust- und Vernachlässigungserfahrungen bezeichnet. 

(Deutsche Traumastiftung und vgl. ICD11 komplexe PTBS  6B41)

Grundlegende Herausforderungen

- Angst und Sorge um das Risiko weiterer Knochenbrüche und Verletzungen - nicht nur bei Betroffenen, sondern auch bei Angehörigen
- Einschränkungen in der Mobilität und Unabhängigkeit, die zu Frustration und Depressionen führen können
- Einschränkungen in der Teilnahme an bestimmten Aktivitäten und bei Kontakten, die zu sozialer Isolation und Einsamkeit führen können
- Stigmatisierung oder Diskriminierung aufgrund von körperlichen Unterschieden (objektiv und subjektiv)
- beschädigtes Selbstbild, auch bei Eltern und Geschwistern 
(u.a Ableismus, Ausgrenzung, soziale Erwünschtheit)
- Gefahr maladaptiver Bewältigungsstrategien infolge Posttraumatischer Belastungstörung oder der Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen
- belastete Partnerschafts- und Beziehungskonstellationen 

Signifikante Hirnveränderungen

Drei messbare Veränderungen der Hirnstruktur bei PTBS

1. Die Amygdala, oft als "Angstzentrum" des Gehirns bezeichnet. Wenn die Amygdala übermäßige Mengen an Stresshormonen freisetzt, verursacht sie ein höheres Maß an Stress.Trauma kann tatsächlich zu einer Vergrößerung der Amygdala führen.

2. Der mediale präfrontale Cortex. Dies ist ein hochentwickelter Bereich, der uns hilft, unsere Emotionen zu steuern, Gefahren einzuschätzen, Impulse zu kontrollieren und die beste Reaktion zu erwägen. Probleme entstehen jedoch, wenn das Gehirn mit Stresshormonen überflutet wird und eine traumatisierte Person die Fähigkeit verliert, zu bestimmen, wann Gefahren real sind. Es wird schwierig, Emotionen zu kontrollieren und zu steuern.

3. Der Hippocampus - die Region des Gehirns, die für Erinnerungen verantwortlich ist. Dieser Prozess durch ein Trauma gestört. Traumatisierte Personen verlieren die Fähigkeit, alte Erinnerungen von aktuellen Ereignissen zu unterscheiden.  Überschüssige Stresshormone, die im Gehirn ausgeschüttet werden, können dazu führen, dass der Hippocampus unterentwickelt oder geschrumpft ist

(https://www.paracelsus-recovery.com/de/blog-de/wie-trauma-das-gehirn-verandert/  und Ärzteblatt Ausgabe Mai 2019, Seite 231)

Oi verändert Erleben und Verhalten

Vermeidungssymptome/Angst:  
aktive Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Angst und Flashbacks, wenn Erinnerungen durch Filme, Gespräche, Geräusche, Gerüche oder andere Kontexte wachgerufen werden.
Überkompensation/Überbelastung: 
Aktivitäten, die über das bewältigbare Maß hinaus gehen. (z.B. im Engagement für etwas oder jemanden).
Vegetative Übererregtheit: 
Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhte Wachsamkeit, übermäßige Schreckhaftigkeit.
Mangelnde Selbstfürsorge: 
Fehlende Wertschätzung, mangelnde Zuwendung und Achtung sich selbst gegenüber, auch in den Alltagshandlungen.

Bei vielen Betroffenen ist das Selbst- und Weltbild erschüttert und das Vertrauen in andere Menschen nachhaltig gestört.  Betroffene leiden zudem unter Schamgefühlen oder unter Selbsthass.

Folgen: Das Risiko für Suchterkrankungen, Depressionen (Major Depression) Persönlichkeitsstörungen und andere psychische Erkrankungen steigen stark an.

Psychische Belastung von Eltern und Angehörigen

Belastung und Stress: 
Eltern und Angehörige chronisch kranker Kinder erleben oft erhöhten Stress und eine hohe Belastung. Die ständige Sorge um das Wohlergehen ihres Kindes, der Umgang mit medizinischen Behandlungen und die Einschränkungen im Alltag können zu emotionaler Erschöpfung führen. 

Gefahr von Depression und Angststörungen: 
Eltern und Angehörige chronisch kranker Kinder haben ein erhöhtes Risiko für Depressionen und Angststörungen. Die ständige Belastung und die Unsicherheit über den Krankheitsverlauf können zu emotionaler Instabilität führen. 

Soziale Isolation: 
Die Betreuung eines chronisch kranken Kindes erfordert oft viel Zeit und Energie, was zu sozialer Isolation der Eltern und Angehörigen führen kann. Der Rückzug aus dem sozialen Umfeld kann das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen. 
 

Schuldgefühle und Selbstwertprobleme: 
Eltern und Angehörige chronisch kranker Kinder können sich selbst die Schuld geben oder Zweifel an ihrer Fähigkeit haben, angemessen für das Kind zu sorgen. Diese Schuldgefühle und Selbstwertprobleme können das psychische Wohlbefinden negativ beeinflussen. 

Quellen: 
Wallander, J.L., Varni, J.W., Babani, L. et al. (1988). Children with chronic physical disorders: Maternal reports of their psychological adjustment. Journal of Pediatric Psychology, 13(1), 87-98.)
Pinquart, M., & Teubert, D. (2010). Parenting of children with chronic conditions: A meta-analytic review. Journal of Pediatric Psychology, 35(8), 1-14.)
Stuijfzand, S., Creswell, C., Field, A. P., Pearcey, S., Dodd, H. F., & Hudson, J. L. (2020). Parental experiences of supporting children with chronic physical health conditions: A meta-ethnography. Health Psychology Review, 14(4), 521-544.)
Hoekstra-Weebers, J. E., Jaspers, J. P., Kamps, W. A., Klip, E. C., & Roodbol, P. F. (2001). Psychological adaptation and social support of parents of pediatric cancer patients: A prospective longitudinal study. Journal of Pediatric Psychology, 26(4), 225-235.

 

 

 

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